Montag, 10. März 2008

Der dunkle Wanderer, Vitagen 5

Es war finster. Nun, so finster auch nicht. Gerade so, dass man nichts mehr erblicken konnte.
Vtagn saß. Wo wusste er nicht. Es war auch ganz und gar belanglos. Überhaupt fragte er nicht. Er hatte nicht zu fragen, saß da und fror. Es war nicht etwa kalt. Es war angenehm. Vtagn fror, weil er wusste, dass er ein Negativ war. Ein Negativ im Negativ. Es kann ja schon ideenlos verwirrend sein. Und so saß er da, fror und hasste. Er hasste es. Es war alles, was man nur hassen konnte, was hassbar erschien. Es war zB. die keifende Stille. Und Furcht, umsonst geboren zu sein. Und Angst vor allem Positivem. Und Panik, nicht auszureichen. Und dieser Punkt: „.“

Einfach alles, was in der einen oder auch der anderen Weise, ja, überaus konstant immens irre-störend-unnötig-sinnlos erschien und ihn langsam die unendliche Wendeltreppe des Wahnsinnes hinab stieß. Seine Wendeltreppe. Er wusste nur mal wieder nicht, welche Etage.

Das war egal – Orte sind ja bekanntlich belanglos. Nur der Inhalt ist von Bedeutung, niemals die Form. Und so saß er da, fror, hasste es und schmiedete einen Plan. Er hatte nämlich vor, der neue dunkle Wanderer zu werden. Es war nur nötig, die momentane Vision durchzusetzen. So einfach. Und so schwer. Unendlich schwer. Vtagn wusste nicht, warum er kämpfen musste. Sich bemühen musste. Es war wohl Vitagen. Ja ja, immerzu diese Gedanken an Vitagen. Diese kleinen Wesen, die kommen und gehen, einen im Sturm nehmen um einen im nächsten Moment wieder in endlose Abgründe zu stürzen. Es machte keinen Spaß, innerlich zerrissen zu sein. Oh doch.

Vtagn schnippte sich an seinen Gaumen, rappelte sich auf und rannte los. Einfach in die Schwärze hinein, er stürzte sich ins Nichts. Sowas macht Spaß, solang kein Widerstand kommt und es kam keiner, und so, und nur so konnte es Spaß machen. Und dann rannt er in den dunklen Wanderer. Der sah das Übel kommen, lachte und stellte sich genau so, dass Vtagn auch in ihn rennen musste. Das war nicht einfach. Der dunkle Wanderer konnte zwar sehen (der dunkle Wanderer ist toll), aber Vtagn bewegte sich im anscheinend nichtigen Bereich und nicht im anscheinend wichtigen. Soll heißen, Vtagn rannte gefühlsgesteuert. Und Gefühle sind nicht konstant, einfach oder gar klar erkennbar. Und so erschien und verschwand Vtagn mal hier und mal dort. Mal war er schnell, mal langsam. Mal hüpfte er auf einem Bein und mal auf dem Mittelfinger. Einmal kroch er sogar, indem er sich auf die Seite legte, ein Bein hinter sein Ohr klemmte, sich die Finger verknotete, den kleinen der linken Hand mit einem Skalpell gar ganz abtrennte (das Blut war leider nicht zu sehen, Vtagn heulte deshalb immer etwas) und ihn sich dabei lässig ins Ohr steckte. Dabei stöhnte er „öp.. öp... öp....“ und bei jedem „öp“ glitt er ein wenig, es waren nur Millimeter, über die nicht erkennbare Oberfläche des anscheinend nichtigen Raumes. So konnte man eigentlich auch sagen, er schwebte einmal sogar, beachtete man aber die Geschwindigkeit, und dass es ein Negativ war, so konnte man es quasi als unsichtbarer Beobachter mit der Gabe des dunklen Wanderers durchaus als kriechen betrachten. Ach, ist doch egal.

Vtagn rannte in den dunklen Wanderer. „Hurra!“, brüllte er dabei, „Hurra, der dunkle Wanderer!“. Und so war er nahezu eins mit dem Wanderer und er war ganz „happy“, wie der entwurzelte Deutsche sagen würde.

Und während er so war, überlebte Vitagen, er lag gerade in seinem Bett, es war nachts, die Uhr warf „0:10“ in rotem Glanze an die Decke und Vtagn wurde endlich gänzlich zum Herrscher. Der dunkle Wanderer, nun nahezu im Vitagen enthalten, mahnte ihn durch kleine Wesen, doch auch zu bedenken, dass viel Schmerz dabei wäre. Doch Vtagn liebte den Schmerz, Vitagen hatte ihn somit auch zu lieben und so war dies mehr Ansporn als Hindernis für den, der nahezu endgültig überlebt war.

Er blickte nur liebevoll auf die leblose Hülle des dunklen Wanderers, schnitt dieser dann mit einer einzigen Überlegung den Kopf herunter und kickte ihn in die unendlichen Weiten der negativen Emotionen. Er jodelte dabei. Denn Wahnsinn ist nicht nur eine Form des Überlebens, nein, Wahnsinn macht auch Spaß, sehnsüchtig glücklich und erschafft Identität – und das ist ja schon immer das wichtigste gewesen.

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